EuGH, Urteil v. 14.06.2012 - C-618/10 (2024)

EuGHUrteil v. - C-618/10

Entscheidungsgründe:

1DasVorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung

- von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie93/13/EWG des Rates vom über missbräuchliche Klauseln inVerbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29),

- von Art. 2 der Richtlinie2009/22/EG des Europäischen Parlaments und desRates vom über Unterlassungsklagen zum Schutz derVerbraucherinteressen (ABl. L 110, S. 30),

- der Bestimmungen der Verordnung(EG) Nr. 1896/2006 des EuropäischenParlaments und des Rates vom zur Einführung einesEuropäischen Mahnverfahrens (ABl. L 399 S. 1),

- des Art. 5 Abs. 1 Buchst. l und msowie der Art. 6, 7 und 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie2008/48/EG des Europäischen Parlaments und desRates vom über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung derRichtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133, S. 66) und

- des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie2005/29/EG des Europäischen Parlaments und desRates vom über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternenGeschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung derRichtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG desEuropäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des EuropäischenParlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L149, S. 22).

2DasErsuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Banco Español deCrédito SA (im Folgenden: Banesto) und Herrn Calderón Camino wegen der Zahlungvon Beträgen, die in Erfüllung eines zwischen den Parteien geschlossenenVerbraucherkreditvertrags geschuldet werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 87/102/EWG

3Art. 6der Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom zur Angleichung derRechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über denVerbraucherkredit (ABl. 1987, L 42, S. 48) sah vor:

"(1) Unbeschadet derAusnahmeregelung gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e) ist der Verbraucher imFalle eines Vertrages zwischen ihm und einem Kredit- oder Finanzinstitut überdie Gewährung eines Kredits in Form eines Überziehungskredits auf einemlaufenden Konto, außer einem Kreditkartenkonto, vor Vertragsabschluss oder zumZeitpunkt des Vertragsabschlusses zu informieren:

- über die etwaige Höchstgrenze desKreditbetrags;

- über den Jahreszins und die beiAbschluss des Vertrages in Rechnung gestellten Kosten sowie darüber, unterwelchen Voraussetzungen diese geändert werden können;

- über die Modalitäten einerBeendigung des Vertragsverhältnisses.

Diese Informationen sindschriftlich zu bestätigen.

(2) Ferner ist der Verbraucherwährend der Laufzeit des Vertrages über jede Änderung des Jahreszinses und derin Rechnung gestellten Kosten im Augenblick ihres Eintretens zu unterrichten.Diese Unterrichtung kann in Form eines Kontoauszuges oder in einer anderen fürdie Mitgliedstaaten annehmbaren Formen erfolgen.

(3) In Mitgliedstaaten, in denenstillschweigend akzeptierte Kontoüberziehungen zulässig sind, trägt derbetreffende Mitgliedstaat dafür Sorge, dass der Verbraucher vom Jahreszins undden in Rechnung gestellten Kosten sowie allen diesbezüglichen Änderungenunterrichtet wird, wenn ein Konto länger als drei Monate überzogenwird."

4Art. 7dieser Richtlinie lautete:

"Die Mitgliedstaaten legen für denFall des Kredits zum Erwerb einer Ware die Bedingungen fest, unter denen dieWare zurückgenommen werden kann, insbesondere für Fälle, in denen derVerbraucher seine Einwilligung nicht erteilt hat. Sie tragen ferner dafürSorge, dass in den Fällen, in denen der Kreditgeber die Ware wieder an sichnimmt, die Abrechnung zwischen den Parteien in der Weise erfolgt, dass dieRücknahme nicht zu einer unberechtigten Bereicherung führt."

Richtlinie 93/13

5Imzwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es:

"Beim derzeitigen Stand dereinzelstaatlichen Rechtsvorschriften kommt allerdings nur eine teilweiseHarmonisierung in Betracht. So gilt diese Richtlinie insbesondere nur fürVertragsklauseln, die nicht einzeln ausgehandelt wurden. Den Mitgliedstaatenmuss es freigestellt sein, dem Verbraucher unter Beachtung des Vertrags einenbesseren Schutz durch strengere einzelstaatliche Vorschriften als den in dieserRichtlinie enthaltenen Vorschriften zu gewähren."

6Der 21.Erwägungsgrund dieser Richtlinie lautet:

"Die Mitgliedstaaten müssensicherstellen, dass in von einem Gewerbetreibenden mit Verbrauchernabgeschlossenen Verträgen keine missbräuchlichen Klauseln verwendet werden.Wenn derartige Klauseln trotzdem verwendet werden, müssen sie für denVerbraucher unverbindlich sein; die verbleibenden Klauseln müssen jedochweiterhin gelten und der Vertrag im Übrigen auf der Grundlage dieser Klauselnfür beide Teile verbindlich sein, sofern ein solches Fortbestehen ohne diemissbräuchlichen Klauseln möglich ist."

7Im 24.Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es:

"Die Gerichte oderVerwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten müssen über angemessene und wirksameMittel verfügen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln inVerbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird".

8Art. 6der Richtlinie 93/13 bestimmt:

"(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor,dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einemVerbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legendie Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; siesehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlagebindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehenkann."

(2) Die Mitgliedstaaten treffen dieerforderlichen Maßnahmen, damit der Verbraucher den durch diese Richtliniegewährten Schutz nicht verliert, wenn das Recht eines Drittlands als das aufden Vertrag anzuwendende Recht gewählt wurde und der Vertrag einen engenZusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten aufweist."

9Art. 7Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

"Die Mitgliedstaaten sorgen dafür,dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerberangemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendungmissbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, dieer mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird."

10Art. 8der Richtlinie bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten können auf demdurch diese Richtlinie geregelten Gebiet mit dem [EG-]Vertrag vereinbare strengereBestimmungen erlassen, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zugewährleisten."

Richtlinie 2005/29

11Art. 11Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2005/29 sieht vor:

"(1) Die Mitgliedstaaten stellen imInteresse der Verbraucher sicher, dass geeignete und wirksame Mittel zurBekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken vorhanden sind, um die Einhaltungdieser Richtlinie durchzusetzen.

...

(2) Im Rahmen der in Absatz 1genannten Rechtsvorschriften übertragen die Mitgliedstaaten den Gerichten oderVerwaltungsbehörden Befugnisse, die sie ermächtigen, in Fällen, in denen siediese Maßnahmen unter Berücksichtigung aller betroffenen Interessen undinsbesondere des öffentlichen Interesses für erforderlich halten,

a) die Einstellung der unlauterenGeschäftspraktiken anzuordnen oder ein geeignetes gerichtliches Verfahren zurAnordnung der Einstellung der betreffenden unlauteren Geschäftspraxiseinzuleiten,

oder

b) falls die unlautereGeschäftspraxis noch nicht angewandt wurde, ihre Anwendung jedoch bevorsteht,diese Praxis zu verbieten oder ein geeignetes gerichtliches Verfahren zurAnordnung des Verbots dieser Praxis einzuleiten,

auch wenn kein tatsächlicherVerlust oder Schaden bzw. Vorsatz oder Fahrlässigkeit seitens desGewerbetreibenden nachweisbar ist.

Die Mitgliedstaaten sehen fernervor, dass die in Unterabsatz 1 genannten Maßnahmen im Rahmen einesbeschleunigten Verfahrens mit

- vorläufiger Wirkung

oder

- endgültiger Wirkung

getroffen werden können, wobeijedem Mitgliedstaat vorbehalten bleibt zu entscheiden, welche dieser beidenMöglichkeiten gewählt wird.

..."

Verordnung Nr. 1896/2006

12Imzehnten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1896/2006 heißt es:

"Das durch diese Verordnunggeschaffene Verfahren sollte eine zusätzliche und fakultative Alternative fürden Antragsteller darstellen, dem es nach wie vor freisteht, sich für die imnationalen Recht vorgesehenen Verfahren zu entscheiden. Durch diese Verordnungsollen mithin die nach nationalem Recht vorgesehenen Mechanismen zurBeitreibung unbestrittener Forderungen weder ersetzt noch harmonisiertwerden."

13Art. 1der Verordnung Nr. 1896/2006 sieht vor:

"(1) Diese Verordnung hat Folgendeszum Ziel:

a) Vereinfachung und Beschleunigungder grenzüberschreitenden Verfahren im Zusammenhang mit unbestrittenenGeldforderungen und Verringerung der Verfahrenskosten durch Einführung einesEuropäischen Mahnverfahrens,

und

b) Ermöglichung des freien VerkehrsEuropäischer Zahlungsbefehle in den Mitgliedstaaten durch Festlegung vonMindestvorschriften, bei deren Einhaltung die Zwischenverfahren imVollstreckungsmitgliedstaat, die bisher für die Anerkennung und Vollstreckungerforderlich waren, entfallen.

(2) Diese Verordnung stellt es demAntragsteller frei, eine Forderung im Sinne von Artikel 4 im Wege eines anderenVerfahrens nach dem Recht eines Mitgliedstaats oder nach Gemeinschaftsrechtdurchzusetzen."

Richtlinie 2008/48

14Art. 1der Richtlinie 2008/48 lautet:

"Ziel dieser Richtlinie ist dieHarmonisierung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften derMitgliedstaaten über Verbraucherkreditverträge."

15In Art.5 Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

"Rechtzeitig bevor der Verbraucherdurch einen Kreditvertrag oder ein Angebot gebunden ist, gibt der Kreditgeberund gegebenenfalls der Kreditvermittler dem Verbraucher auf der Grundlage dervom Kreditgeber angebotenen Kreditbedingungen und gegebenenfalls der vomVerbraucher geäußerten Präferenzen und vorgelegten Auskünfte die Information,die der Verbraucher benötigt, um verschiedene Angebote zu vergleichen und einefundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er einen Kreditvertrag schließenwill. ...

Diese Informationen müssenFolgendes erläutern:

...

l) den anwendbaren Satz derVerzugszinsen und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowiegegebenenfalls anfallende Verzugskosten;

m) einen Warnhinweis zu den Folgenausbleibender Zahlungen;

..."

16Art. 10Abs. 2 der Richtlinie bestimmt:

"Im Kreditvertrag ist in klarer,prägnanter Form Folgendes anzugeben:

...

l) der Satz der Verzugszinsen gemäßder zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags geltenden Regelung und dieArt und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie gegebenenfalls anfallendeVerzugskosten;

..."

Richtlinie 2009/22

17Art. 1Abs. 1 der Richtlinie 2009/22 sieht vor:

"Ziel dieser Richtlinie ist dieAngleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten überUnterlassungsklagen im Sinne des Artikels 2 zum Schutz der Kollektivinteressender Verbraucher, die unter die in Anhang I aufgeführten Richtlinien fallen, umso das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten."

18In Art.2 dieser Richtlinie heißt es:

"(1) Die Mitgliedstaaten bestimmendie zuständigen Gerichte oder Verwaltungsbehörden für die Entscheidung über dievon qualifizierten Einrichtungen im Sinne des Artikels 3 eingelegtenRechtsbehelfe, die auf Folgendes abzielen können:

a) eine mit aller gebotenen Eileund gegebenenfalls im Rahmen eines Dringlichkeitsverfahrens ergehende Anordnungder Einstellung oder des Verbots eines Verstoßes;

...

(2) Diese Richtlinie lässt dieVorschriften des internationalen Privatrechts und des internationalenZivilprozessrechts hinsichtlich des anzuwendenden Rechts unberührt, so dassnormalerweise entweder das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Verstoß seinenUrsprung hat, oder das Recht des Mitgliedstaats, in dem sich der Verstoßauswirkt, angewendet wird."

Spanisches Recht

19Imspanischen Recht waren Verbraucher gegen missbräuchliche Vertragsklauselnzunächst durch das Allgemeine Gesetz 26/1984 über den Schutz der Verbraucherund Benutzer (Ley General 26/1984 para la Defensa de los Consumidores yUsuarios) vom (BOE Nr. 176 vom , S. 21686, imFolgenden: Gesetz 26/1984) geschützt.

20DasGesetz 26/1984 wurde sodann durch das Gesetz 7/1998 über allgemeineGeschäftsbedingungen (Ley 7/1998 sobre Condiciones Generales de laContratación) vom (BOE Nr. 89 vom , S. 12304)geändert, mit dem die Richtlinie 93/13 im innerstaatlichen spanischen Rechtumgesetzt wurde.

21Schließlich wurde mit dem Real Decreto Legislativo1/2007 por el que se aprueba el texto refundido de la Ley General para laDefensa de los Consumidores y Usuarios y otras leyes complementarias (RealDecreto Legislativo 1/2007 zur Billigung der Neufassung des AllgemeinenGesetzes über den Schutz der Verbraucher und Benutzer mit Nebengesetzen) vom (BOE Nr. 287 vom , S. 49181, im Folgenden:Decreto Legislativo 1/2007) die Neufassung des geänderten Gesetzes 26/1984angenommen.

22Art. 83des Decreto Legislativo 1/2007 sieht vor:

"(1) Missbräuchliche Klauseln sindnichtig und gelten als nicht vereinbart.

(2) Der nichtige Vertragsteil wirdnach Maßgabe des Art. 1258 [des spanischen Zivilgesetzbuchs] und dem Grundsatzvon Treu und Glauben angepasst.

Der Richter, der die Nichtigkeitder Klauseln feststellt, passt den Vertrag an und kann bei Fortbestehen desVertrags die Rechte und Pflichten der Parteien sowie die Folgen ihrerUnwirksamkeit mildern, wenn dem Verbraucher und Benutzer ein merklicher Schadenentsteht.

Nur wenn die fortgeltenden Klauselnzu einer unausgewogenen Stellung der Parteien führen, der nicht abgeholfenwerden kann, kann der Richter den Vertrag für unwirksam erklären."

23Art.1258 des spanischen Zivilgesetzbuchs bestimmt:

"Verträge werden durch einfacheEinigung geschlossen und verpflichten von da an nicht nur zur Erfüllung desausdrücklich Vereinbarten, sondern auch zu allen Folgen, die gemäß ihrer NaturTreu und Glauben, der Verkehrssitte und dem Gesetz entsprechen."

24Hinsichtlich des Mahnverfahrens heißt es in Art. 812Abs. 1 der spanischenZivilprozessordnung (Ley de EnjuiciamientoCivil) in ihrer Fassung, die am Tag der Einleitung des dem Ausgangsrechtsstreitzugrunde liegenden Verfahrens galt, zu den Voraussetzungen für die Anwendungdieses Verfahrens:

"Ein Mahnverfahren kann von jedembeantragt werden, der einen anderen auf Zahlung einer entstandenen und fälligenGeldschuld über einen bestimmten Betrag, der 30 000 Euro nicht überschreitet,in Anspruch nimmt, wenn der Betrag dieser Schuld auf folgende Art und Weisebelegt wird:

1. durch Vorlage von Dokumenten inwelcher Form, Art oder Verkörperung auch immer, sei es, dass sie vom Schuldnerunterzeichnet sind, sei es, dass sie sein Siegel, seinen Stempel, seinKennzeichen oder irgendein anderes körperliches oder elektronisches Zeichen,das vom Schuldner stammt, tragen, oder

2. durch Vorlage von Rechnungen,Lieferscheinen, Zertifikaten, Telegrammen, Telefaxen oder jedweder anderenDokumente, die, selbst wenn sie einseitig vom Gläubiger ausgestellt wordensind, für gewöhnlich verwendet werden, um Guthaben und Schulden in Beziehungender Art zu dokumentieren, wie sie zwischen dem Gläubiger und seinem Schuldnerbestehen.

..."

25Art.815 ("Zulässigkeit des Antrags und Mahnbescheid") Abs. 1 derZivilprozessordnung bestimmt:

"Gehören die dem Antrag beigefügtenDokumente zu denen, die in Art. 812 Abs. 2 vorgesehen sind, oder begründen sieeinen Prima-facie-Beweis für den Anspruch des Antragstellers, der durch denInhalt des Antrags bestätigt wird, wird dem Schuldner durch Bescheidaufgegeben, innerhalb einer Frist von 20 Tagen an den Antragsteller zu zahlenund dem Gericht diese Zahlung nachzuweisen oder vor Gericht zu erscheinen unddiesem summarisch mit schriftlichem Widerspruch darzulegen, aus welchen Gründener den geforderten Betrag ganz oder teilweise nicht schulde. ..."

26Art.818 Abs. 1 derZivilprozessordnung betreffend denWiderspruch des Schuldners sieht vor:

"Legt der Schuldner rechtzeitigWiderspruch ein, wird der Rechtsstreit im hierfür vorgesehenenGerichtsverfahren endgültig entschieden; das verkündete Urteil erwächst inRechtskraft."

Ausgangsverfahren undVorlagefragen

27Am 28.Mai 2007 schloss Herr Calderón Camino mit Banesto einen Darlehensvertrag inHöhe von 30 000 Euro (im Folgenden: streitiger Vertrag) zum Zweck derAnschaffung eines Fahrzeugs, das den "Bedarf der Wirtschaftsgemeinschaftdecken" sollte. Der Darlehenszins wurde auf 7,95 %, der effektive Jahreszinsauf 8,89 % und der Verzugszins auf 29 % festgesetzt.

28Obwohldie Fälligkeit des Darlehens auf den festgelegt war, war Banestoder Meinung, dass sie schon vorher eingetreten sei, da im September 2008 siebenMonatsraten noch nicht geleistet worden seien. Daher reichte sie am beim Juzgado de Primera Instancia n° 2 de Sabadell nach spanischem Rechteinen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids in Höhe von 29 381,95 Euro wegender ausstehenden Monatsraten nebst Vertragszinsen und Kosten ein.

29Am 21.Januar 2010 erließ der Juzgado de Primera Instancia n° 2 de Sabadell einenBeschluss, in dem er feststellte, dass es sich bei dem Vertrag um einenFormularvertrag handele, der nicht wirklich habe ausgehandelt werden können undeinseitig auferlegte allgemeine Bedingungen enthalte, und dass der Verzugszinsvon 29 % in einer maschinengeschriebenen Klausel festgelegt gewesen sei, dieweder nach Schrifttyp noch Schriftgröße noch gesonderte Annahme durch denVerbraucher vom restlichen Text abgesetzt gewesen sei.

30Unterdiesen Umständen erklärte der Juzgado de Primera Instancia n° 2 de Sabadellunter Berücksichtigung insbesondere des Euribor ("Euro interbank offered rate")und des Zinssatzes der Europäischen Zentralbank (BCE) sowie der Tatsache, dassder Satz der betreffenden Verzugszinsen mehr als 20 Prozentpunkte über demDarlehenszinssatz liege, die Verzugszinsklausel unter Verweis auf dieeinschlägige ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs wegen Missbräuchlichkeitvon Amts wegen für nichtig. Außerdem setzte er den Verzugszinssatz unterBezugnahme auf den gesetzlichen Zinssatz und den Verzugszins nach denHaushaltsgesetzen der Jahre 1990-2008 auf 19 % fest und gab Banesto auf, denZinsbetrag für den in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit maßgeblichen Zeitraumneu zu berechnen.

31Banestohat gegen diesen Beschluss bei der Audiencia Provincial de Barcelona Berufungeingelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Juzgado de PrimeraInstancia n° 2 de Sabadell in dieser Art von Verfahren weder von Amts wegen dieNichtigkeit der von ihm für missbräuchlich gehaltenen vertraglichenVerzugszinsklausel erklären noch diese Klausel habe abändern dürfen.

32In derVorlageentscheidung hat die Audiencia Provincial de Barcelona erstensfestgestellt, dass die spanischen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet desSchutzes der Interessen von Verbrauchern und Benutzern die Gerichte, die miteinem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids befasst seien, nicht ermächtigten,von Amts wegen und a limine missbräuchliche Klauseln für nichtig zu erklären,da die Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit zum Streitverfahren gehöre, das erst imFall eines Widerspruchs durch den Schuldner eingeleitet werde.

33Zweitens hat das vorlegende Gericht zum Unionsrechtausgeführt, dass zwar in der Rechtsprechung des Gerichtshofs Art. 6 Abs. 1 derRichtlinie 93/13 dahin ausgelegt worden sei, dass die nationalen Gerichtegehalten seien, die Nichtigkeit und Unanwendbarkeit einer missbräuchlichenKlausel selbst dann von Amts wegen festzustellen, wenn keine derVertragsparteien dies beantragt habe.

34DieVerordnung Nr. 1896/2006, die gerade das Mahnverfahren auf der Ebene derEuropäischen Union regele, sehe aber kein Verfahren zur Prüfungmissbräuchlicher Verfahren von Amts wegen und a limine vor, sondern beschränkesich auf die Aufzählung einer Reihe von Anforderungen und von Informationen,die den Verbrauchern zu erteilen seien.

35Ebensowenig sähen die Richtlinie 2008/48 über Verbraucherkreditverträge und dieRichtlinie 2009/22 über Unterlassungsklagen zum Schutz vonVerbraucherinteressen Verfahrensmechanismen vor, wonach die nationalen Gerichtedie Nichtigkeit einer Klausel wie derjenigen im streitigen Vertrag von Amtswegen feststellen müssten.

36Selbstwenn die Praxis, in einen Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einemVerbraucher eine Verzugszinsklausel einzufügen, als "unlauter" im Sinne derRichtlinie 2005/29 angesehen würde, seien im Hinblick darauf, dass das Gesetz29/2009 zur Änderung der Regelung über den unlauteren Wettbewerb und dieWerbung zur Verbesserung des Schutzes der Verbraucher und Benutzer (Ley 29/2009por la que se modifica el régimen legal de la competencia desleal y de lapublicidad para la mejora de la protección de los consumidores y usuarios) vom (BOE Nr. 315 vom , S. 112039) Art. 11 Abs. 2dieser Richtlinie nicht in spanisches Recht umgesetzt habe, die nationalenGerichte jedenfalls nicht befugt, von Amts wegen zu prüfen, ob die betreffendePraxis unlauter sei.

37Unterdiesen Umständen hat die Audiencia Provincial de Barcelona, da sie Zweifel ander richtigen Auslegung des Unionsrechts hat, das Verfahren ausgesetzt und demGerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Läuft es dem Unionsrecht,insbesondere dem Verbraucherschutzrecht, zuwider, wenn ein nationales Gerichtdavon absieht, von Amts wegen und a limine in irgendeiner Phase des Verfahrensüber die Nichtigkeit und die Anpassung einer in einem Verbraucherkreditvertragenthaltenen Klausel über Verzugszinsen (in diesem Fall in Höhe von 29 %) zuentscheiden? Kann das Gericht, ohne die durch das Unionsrecht gewährleistetenRechte der Verbraucher zu beeinträchtigen, die etwaige Prüfung einer solchenKlausel von der Initiative des Schuldners (in Form einer prozessualen Einrede)abhängig machen?

2. Wie ist Art. 83 des DecretoLegislativo 1/2007 im Licht des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 und des Art.2 der Richtlinie 2009/22 richtlinienkonform auszulegen? Welche Tragweite kommtinsoweit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 zu, soweit er vorsieht, dassmissbräuchliche Klauseln "für den Verbraucher unverbindlich sind"?

3. Darf die richterliche Kontrollevon Amts wegen und a limine ausgeschlossen werden, wenn der Kläger in seinerKlageschrift eindeutige Angaben zum Verzugszinssatz, zum Betrag der Forderung,d. h. der Hauptforderung einschließlich Zinsen, zu den Vertragsstrafen und denKosten, zum Zinssatz und zum Zeitraum, für den Zinsen verlangt werden (oderdahin, dass der Hauptforderung von Amts wegen der nach dem Recht desUrsprungsmitgliedstaats geltende gesetzliche Zinssatz hinzuzurechnen sei), undzum Streitgegenstand einschließlich einer Beschreibung des die Schuld und diegeltend gemachten Zinsen begründenden Sachverhalts macht und dabei präzisiert,ob es sich um den gesetzlichen oder vertraglichen Zins, die Kapitalisierung vonZinsen oder den Zinssatz für ein Darlehen handelt und ob dieser von dem Klägerberechnet wurde und um wie viele Prozentpunkte er über dem Basiszinssatz derZentralbank liegt, wie es die Verordnung Nr. 1896/2006 über das EuropäischeMahnverfahren vorsieht?

4. Begründen im Fall einerfehlenden Umsetzung Art. 5 Abs. 1 Buchst. l und m und Art. 6 - soweit darin vonder "Art und Weise seiner etwaigen Anpassung" die Rede ist - sowie Art. 10 Abs.2 Buchst. l - soweit darin von "Anpassung" die Rede ist - der Richtlinie2008/48 eine Verpflichtung des Kreditinstituts, im Vertrag in besondersdeutlicher Weise (und nicht innerhalb des Vertragstexts ohne jede Abhebung) als"vorvertragliche Informationen" klar und an hervorgehobener Stelle denVerzugszins und seine Berechnungsgrundlagen (Finanzierungskosten,Beitreibungskosten ...) anzugeben sowie einen Warnhinweis auf die Kostenfolgenzu geben?

5. Beinhaltet Art. 6 Abs. 2 derRichtlinie 2008/48 die Verpflichtung zur Mitteilung der vorzeitigen Fälligkeitdes Kredits oder des Darlehens, die zum Anfallen von Verzugszinsen führt? Istder Grundsatz des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung des Art. 7 derRichtlinie 2008/48 anwendbar, wenn das Kreditinstitut nicht nur das Gut (dasDarlehenskapital) zurückerlangen, sondern auch besonders hohe Verzugszinsenanwenden will?

6. Kann das Gericht mangels einerUmsetzungsregelung und im Licht des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29 vonAmts wegen die Missbräuchlichkeit der Praxis prüfen, in den Vertragstext eineKlausel über Verzugszinsen aufzunehmen?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

38Mitseiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie93/13 dahin auszulegen ist, dass sie einer mitgliedstaatlichen Regelung wie derim Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, wonach ein Gericht, dasmit einem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids befasst ist, weder a liminenoch in irgendeiner anderen Phase des Verfahrens von Amts wegen prüfen darf, obeine Verzugszinsklausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden undeinem Verbraucher missbräuchlich ist, sofern der Verbraucher keinen Widersprucherhebt.

39ZurBeantwortung dieser Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das mit derRichtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem auf dem Gedanken beruht, dass derVerbraucher sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächerenVerhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt,was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungenzustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können (Urteile vom , Océano Grupo Editorial und Salvat Editores, C-240/98 bis C-244/98, Slg.2000, I-4941, Randnr. 25, vom , Mostaza Claro, C-168/05, Slg.2006, I-10421, Randnr. 25, und vom , AsturcomTelecomunicaciones, C-40/08, Slg. 2009, I-9579, Randnr. 29).

40InAnbetracht dieser schwächeren Position sieht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13vor, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind. Wiesich aus der Rechtsprechung ergibt, handelt es sich um eine zwingendeBestimmung, die darauf abzielt, die formale Ausgewogenheit der Rechte undPflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzenund so deren Gleichheit wiederherzustellen (Urteile Mostaza Claro, Randnr. 36,Asturcom Telecomunicaciones, Randnr. 30, vom , VB PénzügyiLízing, C-137/08, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 47, und vom ,Pereničová und Perenič, C-453/10, Slg. 2012, I-0000, Randnr.28).

41Um dendurch die Richtlinie 93/13 angestrebten Schutz zu gewährleisten, hat derGerichtshof bereits mehrfach wiederholt, dass die bestehende Ungleichheitzwischen Verbraucher und Gewerbetreibendem nur durch ein positives Eingreifenvon dritter, von den Vertragsparteien unabhängiger Seite ausgeglichen werdenkann (vgl. Urteile Océano Grupo Editorial und Salvat Editores, Randnr. 27,Mostaza Claro, Randnr. 26, Asturcom Telecomunicaciones, Randnr. 31, und VBPénzügyi Lízing, Randnr. 48).

42ImLicht dieser Grundsätze hat der Gerichtshof entschieden, dass das nationaleGericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in denAnwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, prüfen und damit demUngleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfenmuss (vgl. in diesem Sinne Urteile Mostaza Claro, Randnr. 38, vom ,Pannon GSM, C-243/08, Slg. 2009, I-4713, Randnr. 31, AsturcomTelecomunicaciones, Randnr. 32, und VB Pénzügyi Lízing, Randnr. 49).

43Folglich ist die Aufgabe, die dem nationalen Gerichtin dem fraglichen Bereich vom Unionsrecht zugewiesen wird, nicht auf die bloßeBefugnis beschränkt, über die etwaige Missbräuchlichkeit einer Vertragsklauselzu entscheiden, sondern umfasst außerdem die Verpflichtung, diese Frage vonAmts wegen zu prüfen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen undtatsächlichen Grundlagen verfügt (vgl. Urteil Pannon GSM, Randnr. 32).

44Hierzuhat der Gerichtshof auf ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalenGerichts, bei dem ein nach dem Widerspruch eines Verbrauchers gegen einenMahnbescheid eingeleitetes Streitverfahren anhängig war, entschieden, dassdieses Gericht verpflichtet ist, von Amts wegen Untersuchungsmaßnahmendurchzuführen, um festzustellen, ob eine Klausel über einen ausschließlichenGerichtsstand in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einemVerbraucher in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, und, wenn ja,von Amts wegen zu beurteilen, ob eine solche Klausel möglicherweisemissbräuchlich ist (Urteil VB Pénzügyi Lízing, Randnr. 56).

45Dievorliegende Rechtssache unterscheidet sich jedoch von denen, in denen dieUrteile Pannon GSM und VB Pénzügyi Lízing ergangen sind, dadurch, dass sie dieFrage betrifft, welche Aufgaben das nationale Gericht aufgrund der Bestimmungender Richtlinie 93/13 im Rahmen eines Mahnverfahrens hat, bevor der VerbraucherWiderspruch erhoben hat.

46Da dienationalen Mechanismen zur Beitreibung unbestrittener Forderungen nichtvereinheitlicht worden sind, ist es nach dem Grundsatz der VerfahrensautonomieSache der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten, die Modalitäten,nach denen die nationalen Mahnverfahren durchgeführt werden, festzulegen,vorausgesetzt allerdings, dass sie nicht ungünstiger sind als diejenigen, diegleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen(Äquivalenzprinzip), und dass sie die Ausübung der den Verbrauchern durch dasUnionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßigerschweren (Effektivitätsprinzip) (vgl. in diesem Sinne Urteile Mostaza Claro,Randnr. 24, und Asturcom Telecomunicaciones, Randnr. 38).

47Hinsichtlich des Äquivalenzprinzips istfestzustellen, dass der Gerichtshof über keinerlei Anhaltspunkte verfügt, dieeinen Zweifel an der Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehendenRegelung mit diesem Prinzip hervorrufen könnten.

48DenAkten ist nämlich zu entnehmen, dass nach spanischem Verfahrensrecht einnationales Gericht, das mit einem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids befasstist, sowohl a limine als auch in irgendeiner anderen Phase des Verfahrens vonAmts wegen weder prüfen darf, ob eine Klausel in einem Vertrag zwischen einemGewerbetreibenden und einem Verbraucher im Hinblick auf Art. 6 der Richtlinie93/13 missbräuchlich ist, sofern der Verbraucher keinen Widerspruch erhebt,noch, ob eine solche Klausel gegen zwingendes nationales Recht verstößt; diesfestzustellen, ist allerdings Sache des vorlegenden Gerichts.

49Was denEffektivitätsgrundsatz angeht, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständigerRechtsprechung des Gerichtshofs jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, obeine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglichmacht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieserVorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheitendes Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist (vgl.Urteil Asturcom Telecomunicaciones, Randnr. 39 und die dort angeführteRechtsprechung).

50Hierergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass nach Art. 812 derspanischenZivilprozessordnung das Mahnverfahren aufentstandene, bestimmbare und fällige Geldschulden Anwendung findet, die zu demim Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt einen Höchstbetrag von 30 000 Euronicht überschreiten.

51Um denGläubigern einen leichteren Zugang zur Justiz und einen schnellerenVerfahrensablauf zu garantieren, müssen die Gläubiger nach ebendiesem Artikeldem Antrag lediglich Dokumente beifügen, die das Bestehen der Schuld belegen,brauchen aber nicht eindeutig anzugeben, wie hoch die Verzugszinsen sind, seitwann genau sie fällig sind und in welchem Bezug der Verzugszinssatz zumgesetzlichen Zinssatz nach innerstaatlichem Recht oder dem Satz derEuropäischen Zentralbank steht.

52So darfaufgrund der Art. 815 Abs. 1 und 818 Abs. 1 der spanischenZivilprozessordnung das nationale Gericht,das mit einem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids befasst ist, ausschließlichprüfen, ob die formellen Voraussetzungen für die Einleitung dieses Verfahrensvorliegen; wenn ja, muss es dem Antrag stattgeben und einen vollstreckbarenBescheid erlassen, ohne a limine oder in irgendeiner anderen Phase desVerfahrens prüfen zu können, ob der Antrag im Hinblick auf die Informationen,über die es verfügt, begründet ist, sofern der Schuldner sich weder weigert,seine Schuld zu begleichen, noch innerhalb von 20 Tagen ab dem Tag derZustellung dieses Bescheids Widerspruch erhebt. Ein solcher Widerspruch mussfür Streitigkeiten, die einen gesetzlich festgelegten Wert - zum Zeitpunkt desdem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts 900 Euro -übersteigen, zwingend mit Hilfe eines Rechtsanwalts erhoben werden.

53Indiesem Zusammenhang ist jedoch festzustellen, dass eine solcheVerfahrensregelung - die es einem Gericht, das mit einem Antrag auf Erlasseines Mahnbescheids befasst ist, unmöglich macht, a limine oder in irgendeineranderen Phase des Verfahrens, obwohl es bereits über sämtliche hierzuerforderlichen rechtlichen und sachlichen Grundlagen verfügt, von Amts wegen zuprüfen, ob die Klauseln in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden undeinem Verbraucher missbräuchlich sind, sofern der Verbraucher keinenWiderspruch erhebt - geeignet ist, die Effektivität des mit der Richtlinie93/13 beabsichtigten Schutzes zu beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteilvom , Cofidis, C-473/00, Slg. 2002, I-10875, Randnr.35).

54UnterBerücksichtigung der generellen Ausgestaltung, des Ablaufs und derBesonderheiten des in den Randnrn. 50 bis 52 des vorliegenden Urteilsbeschriebenen Mahnverfahrens besteht nämlich eine nicht zu vernachlässigendeGefahr, dass die betroffenen Verbraucher nicht den erforderlichen Widersprucherheben, sei es wegen der besonders kurzen Frist, die hierfür vorgesehen ist,sei es, weil sie im Hinblick auf die Kosten, die ein gerichtliches Verfahren imVergleich zur Höhe der bestrittenen Forderung mit sich brächte, davonabgehalten werden könnten, sich zu verteidigen, sei es, weil sie den Umfangihrer Rechte nicht kennen oder nicht richtig erfassen, oder auch wegen derknappen Angaben in dem von den Gewerbetreibenden eingereichten Antrag aufErlass eines Mahnbescheids und folglich der Unvollständigkeit derInformationen, über die sie verfügen.

55Demnachkönnten die Gewerbetreibenden den Verbrauchern den mit der Richtlinie 93/13beabsichtigten Schutz schon dadurch entziehen, dass sie ein Mahnverfahrenanstelle eines ordentlichen Zivilverfahrens anstrengen, was sich auch als nichtvereinbar mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs erweist, wonach diespezifischen Merkmale der nach nationalem Recht zwischen Gewerbetreibenden undVerbrauchern geführten gerichtlichen Verfahren kein Faktor sind, der denRechtsschutz, der den Verbrauchern nach dieser Richtlinie zu gewähren ist,beeinträchtigen könnte (Urteil Pannon GSM, Randnr. 34).

56Unterdiesen Umständen ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Redestehende spanische Regelung nicht mit dem Effektivitätsprinzip vereinbar ist,soweit sie in den Verfahren, die von Gewerbetreibenden angestrengt werden undbei denen Verbraucher auf der Gegenseite stehen, die Gewährleistung desSchutzes, der den Verbrauchern mit der Richtlinie 93/13 gewährt werden soll,unmöglich macht oder übermäßig erschwert.

57ImLicht dieser Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass dieRichtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass sie einer mitgliedstaatlichenRegelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, wonachein mit einem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids befasstes Gericht, sofernder Verbraucher keinen Widerspruch erhebt, weder a limine noch in irgendeineranderen Phase des Verfahrens von Amts wegen prüfen darf, ob eineVerzugszinsklausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einemVerbraucher missbräuchlich ist, obwohl es über die hierzu erforderlichenrechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt.

Zur zweiten Frage

58Um dasUnionsrecht für das vorlegende Gericht zweckdienlich auslegen zu können (vgl.in diesem Sinne Urteil vom , Michaniki, C-213/07, Slg. 2008,I-9999, Randnrn. 50 und 51), ist die zweite Frage dahin zu verstehen, dass mitihr gefragt wird, ob Art. 2 der Richtlinie 2009/22 und Art. 6 Abs. 1 derRichtlinie 93/13 einer mitgliedstaatlichen Regelung, wie sie in Art. 83 desDecreto Legislativo 1/2007 vorgesehen ist, entgegenstehen, wonach das nationaleGericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einemVertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt,durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel den Vertrag anpassen kann.

59Hierzuist zunächst festzustellen, dass sich der Ausgangsrechtsstreit im Rahmen einesvon einer der Vertragsparteien angestrengten Mahnverfahrens abspielt und nichtim Zusammenhang mit einer von einer "qualifizierten Einrichtung" im Sinne vonArt. 3 der Richtlinie 2009/22 erhobenen Unterlassungsklage.

60Da dieRichtlinie 2009/22 daher nicht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar ist, istüber die Auslegung ihres Art. 2 nicht zu befinden.

61Gleichwohl ist, um auf die Frage zu antworten,welche Folgen zu ziehen sind, wenn eine vertragliche Klausel für missbräuchlicherklärt wird, sowohl auf den Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13als auch auf Ziele und Systematik dieser Richtlinie Bezug zu nehmen (vgl. indiesem Sinne Urteile vom , AHP Manufacturing, C-482/07, Slg.2009, I-7295, Randnr. 27, und vom , Merck Sharp & Dohme,C-125/10, Slg. 2011, I-0000, Randnr. 29).

62Was denWortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 angeht, ist zum einenfestzustellen, dass nach dem ersten Teilsatz dieser Bestimmung denMitgliedstaaten zwar ein gewisser Spielraum in Bezug auf die Festlegungzugestanden wird, welche rechtlichen Regelungen für missbräuchliche Klauselngelten, sie aber dennoch ausdrücklich vorsehen müssen, dass diese Klauseln "fürden Verbraucher unverbindlich sind".

63DerGerichtshof hat diese Bestimmung bereits dahin ausgelegt, dass die nationalenGerichte, die die Missbräuchlichkeit vertraglicher Klauseln feststellen,verpflichtet sind, alle Konsequenzen zu ziehen, die sich daraus nach nationalemRecht ergeben, damit diese Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind(vgl. Urteil Asturcom Telecomunicaciones, Randnr. 58, Beschluss vom 16.November 2010, Pohotovosť, C-76/10, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 62, sowieUrteil Pereničová und Perenič, Randnr. 30). Wie nämlich inRandnr. 40 des vorliegenden Urteils ausgeführt, handelt es sich um einezwingende Bestimmung, die darauf abzielt, die nach dem Vertrag bestehendeformale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch einematerielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheitwiederherzustellen.

64Zumanderen ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber im zweiten Teilsatz vonArt. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sowie im 21. Erwägungsgrund der Richtlinie93/13 ausdrücklich vorgesehen hat, dass der Vertrag zwischen einemGewerbetreibenden und einem Verbraucher für beide Parteien "auf derselbenGrundlage" bindend bleibt, wenn er "ohne die missbräuchlichen Klauseln"bestehen bleiben kann.

65Aus demWortlaut von Art. 6 Abs. 1 ergibt sich demnach, dass die nationalen Gerichteeine missbräuchliche Vertragsklausel nur für unanwendbar zu erklären haben,damit sie den Verbraucher nicht bindet, ohne dass sie befugt wären, derenInhalt abzuändern. Denn der betreffende Vertrag muss - abgesehen von derÄnderung, die sich aus der Aufhebung der missbräuchlichen Klauseln ergibt -grundsätzlich unverändert fortbestehen, soweit dies nach den Vorschriften desinnerstaatlichen Rechts rechtlich möglich ist.

66Fürdiese Auslegung sprechen auch der Regelungszweck und die Systematik derRichtlinie 93/13.

67Nachständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt diese Richtlinie nämlichinsgesamt eine Maßnahme dar, die für die Erfüllung der Aufgaben der Union undinsbesondere für die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität in derganzen Union unerlässlich ist (vgl. Urteile Mostaza Claro, Randnr. 37, PannonGSM, Randnr. 26, und Asturcom Telecomunicaciones, Randnr. 51).

68Aufgrund von Art und Bedeutung des öffentlichenInteresses, auf dem der Schutz beruht, der den Verbrauchern gewährt wird, weilsie sich gegenüber den Gewerbetreibenden in einer Position der Unterlegenheitbefinden, verpflichtet die Richtlinie 93/13 die Mitgliedstaaten, wie sich ausihrem Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit ihrem 24. Erwägungsgrund ergibt,angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, "damit der Verwendungmissbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, dieer mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird".

69Indiesem Zusammenhang ist festzustellen, dass, wie die Generalanwältin in denNrn. 86 bis 88 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, wenn es dem nationalenGericht freistünde, den Inhalt der missbräuchlichen Klauseln in solchenVerträgen abzuändern, eine derartige Befugnis die Verwirklichung deslangfristigen Ziels gefährden könnte, das mit Art. 7 der Richtlinie 93/13verfolgt wird. Diese Befugnis trüge nämlich dazu bei, den Abschreckungseffektzu beseitigen, der für die Gewerbetreibenden darin besteht, dass solchemissbräuchlichen Klauseln gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendetbleiben (vgl. in diesem Sinne Beschluss Pohotovosť, Randnr. 41 und diedort angeführte Rechtsprechung); die Gewerbetreibenden blieben nämlichversucht, die betreffenden Klauseln zu verwenden, wenn sie wüssten, dass,selbst wenn die Klauseln für unwirksam erklärt werden sollten, der Vertraggleichwohl im erforderlichen Umfang vom nationalen Gericht angepasst werdenkönnte, so dass das Interesse der Gewerbetreibenden auf diese Art und Weisegewahrt würde.

70Würdedem nationalen Gericht eine solche Befugnis zugestanden, könnte sie deshalb vonsich aus keinen genauso wirksamen Schutz des Verbrauchers garantieren wie den,der sich aus der Nichtanwendung der missbräuchlichen Klauseln ergibt. Außerdemließe sich diese Befugnis auch nicht auf Art. 8 der Richtlinie 93/13 stützen,der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, auf dem durch diese Richtliniegeregelten Gebiet mit dem Unionsrecht vereinbare strengere Bestimmungen zuerlassen oder aufrechtzuerhalten, soweit ein höheres Schutzniveau für dieVerbraucher gewährleistet ist (vgl. Urteile vom , Caja de Ahorros yMonte de Piedad de Madrid, C-484/08, Slg. 2010, I-4785, Randnrn. 28 und 29,sowie Pereničová und Perenič, Randnr. 34).

71Ausdiesen Erwägungen ergibt sich daher, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13nicht dahin verstanden werden kann, dass er es dem nationalen Gerichtgestattet, wenn es eine missbräuchliche Klausel in einem Vertrag zwischen einemGewerbetreibenden und einem Verbraucher entdeckt, den Inhalt dieser Klauselabzuändern anstatt schlicht deren Anwendung gegenüber dem Verbraucherauszuschließen.

72Insoweit obliegt es dem vorliegenden Gericht, zuprüfen, welche nationalen Vorschriften auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreitanwendbar sind, sowie unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichenRechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zutun, was in seiner Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit von Art. 6Abs. 1 der Richtlinie 93/13 zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen,das mit dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht (vgl. indiesem Sinne Urteil vom , Dominguez, C-282/10, Slg. 2012,I-0000, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73ImLicht der vorstehenden Ausführungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dassArt. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass er einermitgliedstaatlichen Regelung wie Art. 83 des Decreto Legislativo 1/2007entgegensteht, wonach das nationale Gericht, wenn es die Nichtigkeit einermissbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden undeinem Verbraucher feststellt, durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel denVertrag anpassen kann.

Zu den Fragen 3 bis 6

74Mitseinen Fragen 3 bis 6 möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen,welche Aufgaben die nationalen Gerichte nach der Verordnung Nr. 1896/2006 undder Richtlinie 2005/29 haben, wenn sie eine vertragliche Verzugszinsklausel wiedie im Ausgangsverfahren in Rede stehende überprüfen, und welchenVerpflichtungen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Buchst. l und m sowie der Art. 6, 7und 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 die Kreditinstitute bei derAnwendung des Verzugszinssatzes in Kreditverträgen unterliegen.

75NachAnsicht des Königreichs Spanien und der Europäischen Kommission sind dieseFragen unzulässig, da die Bestimmungen des Unionsrechts, auf die sie sichbezögen, nicht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar seien und ihre Auslegungdaher dem vorlegenden Gericht bei der Entscheidung dieses Rechtsstreits nichthelfe.

76Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nachständiger Rechtsprechung in dem Verfahren nachArt. 267 AEUV, dasauf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und demGerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Feststellung undBeurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung undAnwendung des nationalen Rechts zuständig ist. Ebenso hat nur das nationaleGericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessenVerantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf dieBesonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit als auch dieErheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher istder Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden,wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteile vom , Keller, C-145/03, Slg. 2005, I-2529, Randnr. 33, vom ,Lucchini, C-119/05, Slg. 2007, I-6199, Randnr. 43, und vom ,Eckelkamp u. a., C-11/07, Slg. 2008, I-6845, Randnrn. 27 und 32).

77EinVorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts kann demnach nur dannzurückgewiesen werden, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechtsoffensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand desAusgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oderwenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angabenverfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragenerforderlich sind (vgl. u. a. Urteile vom , Cipolla u. a.,C-94/04 und C-202/04, Slg. 2006, I-11421, Randnr. 25, und vom ,Blanco Pérez und Chao Gómez, C-570/07 und C-571/07, Slg. 2010, I-4629, Randnr.36).

78Genaudies ist hier aber der Fall.

79Insbesondere in Bezug auf die dritte Frage fehlt derAuslegung der Verordnung Nr. 1896/2005 jegliche Relevanz für die Entscheidung,die das vorlegende Gericht in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit zu treffenhat. So fällt zum einen, wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Aktenergibt, der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits nicht in denAnwendungsbereich dieser Verordnung, die sich nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nur aufgrenzüberschreitende Verfahren bezieht, sondern bleibt ausschließlich denBestimmungen der spanischenZivilprozessordnung unterworfen. Zumanderen sollen durch diese Verordnung, wie es in ihrem zehnten Erwägungsgrundausdrücklich heißt, die nach nationalem Recht vorgesehenen Mechanismen zurBeitreibung unbestrittener Forderungen weder ersetzt noch harmonisiertwerden.

80Was dievierte Frage angeht, ist offensichtlich, dass die Bestimmungen des Art. 5 Abs.1 Buchst. l und m sowie der Art. 6 und 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie2008/48, um deren Auslegung das vorlegende Gericht ersucht, in zeitlicherHinsicht keine Anwendung auf den Ausgangsrechtsstreit finden, da er dieangeblich nicht ordnungsgemäße Erfüllung des am zwischen HerrnCalderón Camino und Banesto geschlossenen Kreditvertrags durch Ersterenbetrifft.

81Insoweit genügt nämlich die Feststellung, dass dieRichtlinie 2008/48 nach ihren Art. 27, 29 und 31 am in Kraftgetreten ist und die Mitgliedstaaten bis spätestens zum , dem Tag,an dem die Richtlinie 87/102 aufgehoben wurde, die Maßnahmen zu treffen hatten,die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Ferner sah Art. 30Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 ausdrücklich vor, dass sie nicht für die am Tagdes Inkrafttretens der innerstaatlichen Umsetzungsmaßnahmen bereits laufendenKreditverträge gilt.

82Zurfünften Frage, bei der es darum geht, ob Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48das Kreditinstitut zur Mitteilung der vorzeitigen Fälligkeit des Kredits oderdes Darlehens verpflichtet, um den Verzugszinssatz anwenden zu können, und obder Grundsatz des Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung des Art. 7 dieserRichtlinie herangezogen werden kann, wenn das Kreditinstitut nicht nur dieRückzahlung des Kapitals, sondern auch besonders hohe Verzugszinsen fordert,ist zunächst festzustellen, dass sich das vorlegende Gericht, wie sich aus dendem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, mit dieser Frage in Wirklichkeit aufdie entsprechenden Artikel der Richtlinie 87/102 beziehen wollte, die alleinfür den Gegenstand der betreffenden Frage einschlägig sind.

83Selbstunter der Annahme, dass hierin der wahre Gehalt der fünften Frage liegt (vgl.in diesem Sinne Urteil vom , Teckal, C-107/98, Slg. 1999,I-8121, Randnrn. 34 und 39), weist jedoch, wie auch die Generalanwältin in denNrn. 99 und 100 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, nichts in derVorlageentscheidung darauf hin, dass sich im Ausgangsrechtsstreit eineProblematik stellen würde, die die Pflicht zur vorherigen Information desVerbrauchers über jede Änderung des Jahreszinses oder die Rückgabe einer Warean den Gläubiger, die zu dessen ungerechtfertigter Bereicherung führt,betrifft.

84Somitist die fünfte Frage offensichtlich hypothetisch, da die Auslegung dergenannten Vorschriften der Richtlinie 87/102 keinerlei Verbindung zumGegenstand des Ausgangsrechtsstreits aufweist.

85Wasschließlich die sechste Frage angeht, ob mangels Umsetzung der Richtlinie2005/29 deren Art. 11 Abs. 2 dahin auszulegen ist, dass ein nationales Gerichtvon Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Praxis prüfen kann, die darinbesteht, in den Text eines Vertrags eine Klausel über Verzugszinsenaufzunehmen, genügt die Feststellung, dass, wie auch die Generalanwältin in Nr.106 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, nichts im Vorlagebeschluss daraufhinweist, dass der Juzgado de Primera Instancia n° 2 de Sabadell, als er denBeschluss erließ, mit dem der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheidszurückgewiesen wurde, es als eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne der obengenannten Richtlinie eingestuft hätte, dass Banesto in den Kreditvertrag, densie mit Herrn Calderón Camino schloss, eine Verzugszinsklausel wie die imAusgangsverfahren in Rede stehende aufgenommen hat.

86Zudemstellt das vorlegende Gericht in seiner Entscheidung Erwägungen zur Erläuterungdieser Frage an, indem es ausdrücklich auf "die möglicherweise unlautere Praxisdes Kreditinstituts" verweist.

87Somitist offensichtlich, dass die Auslegung der Richtlinie 2005/29 im Hinblick aufden Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits rein hypothetisch ist. In diesemZusammenhang erweist sich auch die fehlende Umsetzung dieser Richtlinie als fürdie Entscheidung des betreffenden Rechtsstreits bedeutungslos.

88Nachalledem sind die Vorlagefragen 3 bis 6 des vorlegenden Gerichtsunzulässig.

Kosten

89Für dieParteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beidem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung istdaher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabevon Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat derGerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1. Die Richtlinie 93/13/EWG desRates vom über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgenist dahin auszulegen, dass sie einer mitgliedstaatlichen Regelung wie der imAusgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, wonach ein mit einem Antragauf Erlass eines Mahnbescheids befasstes Gericht, sofern der Verbraucher keinenWiderspruch erhebt, weder a limine noch in irgendeiner anderen Phase desVerfahrens von Amts wegen prüfen darf, ob eine Verzugszinsklausel in einemVertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher missbräuchlichist, obwohl es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichenGrundlagen verfügt.

2. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie93/13 ist dahin auszulegen, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung wie Art.83 des Real Decreto Legislativo 1/2007 por el que se aprueba el texto refundidode la Ley General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios y otras leyescomplementarias (Real Decreto Legislativo 1/2007 zur Billigung der Neufassungdes Allgemeinen Gesetzes über den Schutz der Verbraucher und Benutzer mitNebengesetzen) vom entgegensteht, wonach das nationaleGericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einemVertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt,durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel den Vertrag anpassen kann.

EuGH, Urteil v. 14.06.2012 - C-618/10 (2024)
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